Weitere Gestaltungsmöglichkeiten beim Film

Die überwältigende Mehrheit der einige Millionen Camcorder-Besitzer in Deutschland ist zufrieden, wenn die "Aufnahmen im Kasten" sind. In den meisten Fällen wird dieses Material dann nur noch "geputzt", d.h. Dubletten sowie schlechte und fehlerhafte Passagen werden herausgeschnitten. Möglicherweise wird noch ein Titel eingefügt und eventuell eine Musik unterlegt. Fertig der Film! Jetzt können Freunde, Bekannte und Verwandte zur "Premiere" eingeladen werden… Fertig? Man kann es auch so sehen: Bei den gerade beschriebenen Filmern hält sich – vorsichtig gesagt – die Nachbearbeitung (Postproduktion) sehr stark in Grenzen. Leider! Denn damit bleiben viele zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten ungenutzt. Zum Beispiel:

  • Die Dramaturgie

    Die Chronologie eines Ereignisses, z.B. der Ablauf einer Reise, liefert nur in Ausnahmefällen zugleich auch den optimalen Aufbau für einen Film. Meistens empfiehlt es sich, zugunsten eines wirkungsvollen Spannungsaufbaus die Reihenfolge der im Film berichteten Ereignisse (Episoden) zu ändern. Prinzipiell gilt für den richtigen Aufbau einer Filmerzählung: Schneller Einstieg ins Thema, d.h. am besten gleich in der ersten Minute mit packenden Bildern und/oder Aussagen die Zuschauer fesseln. Danach die Entwicklung eines Spannungsbogens bis zum Höhepunkt des Filmes. Nach diesem Höhepunkt: schneller Schluss.

  • Die Montage / der Schnitt

    Hier geht es um die Montage, das Aneinanderreihen der einzelnen Einstellungen (Takes, Clips) zu stimmigen Bildfolgen, d.h. zu sogenannten Sequenzen. Die Einführung in eine Szene erfolgt normalerweise durch eine Totale, evtl. Halbtotale. Das verschafft dem Zuschauer einen ersten Überblick. Mit Halbnah-, Nah-, Groß- und Detailaufnahmen wird er anschließend immer näher an das Geschehen herangeführt. Damit wird zugleich auch die Intensität der Bildaussage gesteigert. Über eine Halbtotale und/oder Totale führt man wieder von einer Szene weg. Weitere wichtige Aspekte der Filmmontage sind u.a.: Wahl eines aussagegerechten Schnitttempos, Entscheidung über notwendige Zwischenschnitte sowie Vermeidung von Bild-, Farb- oder anderen "Sprüngen".

  • Die Übergänge

    Darunter versteht man die überlegte Gestaltung der Übergänge von einer Szene bzw. Sequenz zur anderen sowie von Übergängen zwischen Erzähl- und/oder Zeitebenen. Solche Übergänge sind z.B.: harter oder "weicher" Schnitt, natürliche/gestaltete oder elektronische Blenden, symbolische Übergänge sowie andere elektronisch oder mit der Kamera kreativ gestaltete Effekte (z.B. Schärfeverlagerung, Reiß-Schwenk).

  • Farbe und Licht

    In erster Linie geht es hier darum, die im Bild gegebenen Licht- und Farbgegebenheiten beim Schnitt zu berücksichtigen bzw. gestalterisch zu nutzen. Das schließt selbstverständlich auch den Einsatz der elektronischen Nachbearbeitungsmöglichkeiten ein, z.B. Bild- und Farbkorrekturen sowie bewusste Farbgestaltung von Schwarz-Weiß bis hin zur völligen Farbverfremdung.

  • Der Titel

    Jeder Filmtitel entzündet Erwartungen bei den Zuschauern. Somit ist er ein wichtiges gestalterisches Startsignal. Ein Titel sollte beim Zuschauer Interesse, Neugier oder Spannung erwecken, aber keine falschen Erwartungen bzw. Erwartungen, die der Film dann anschließend nicht einlöst. Keine Trivial-Titel ("Impressionen von…")! Solche Titel sagen alles und nichts.

  • Die Tongestaltung

    Der "gute Ton zum Film" ist wahrscheinlich bei den meisten Filmamateuren die am stärksten vernachlässigte Dimension der Filmgestaltung. Schon einfache technische Fragen wie die Aussteuerung einer Aufnahme, die Wahl des richtigen Mikrofons oder das abschließende Abmischen des Tons bereiten vielen Filmemachern Probleme. Zur Vertonung gehören aber auch weiter reichende Gestaltungsfragen, z.B. der Einsatz des Original-Tons (Interviews, Statements), die Nutzung der Atmosphäre, die Entscheidung über den Einsatz von Musik, ggf. die Musikauswahl, sowie Überlegungen zum Einsatz zusätzlicher Geräusche bzw. akustischer Effekte.

  • Die Textgestaltung bzw. der Dialog

    Dies ist ein Sonderbereich der Tongestaltung. Beim Spielfilm geht es hier um den Dialog, also um die Texte der Schauspieler. Filme anderer Kategorien benötigen in der Regel einen Kommentar, der das Bild ergänzt. Beim Erstellen des Kommentars ist u.a. auf eine passende Text-Bild-Beziehung zu achten, auf einen angemessenen Sprachstil sowie auf eine maßgeschneiderte "Dosierung" der Information zum Bild. Auch die Auswahl eines passenden Sprechers bzw. einer Sprecherin will gut überlegt sein.

Wer seine Aufnahmen "im Kasten" hat, hat noch längst keinen fertigen Film… Die eigentliche Herstellung des Filmes geht dann erst richtig los!

Wer dabei auf gutes Filmmaterial zurückgreifen kann, hat eine gute Startbasis. Allein aus diesem Grund ist es klug, schon bei den Filmaufnahmen an die späteren Gestaltungsmöglichkeiten bei der (Nach-)Produktion des Filmes zu denken. So hilft es enorm, wenn ein Filmer – statt einfach drauflos zu filmen – schon beim Filmen zumindest in etwa weiß, welche "Geschichte" er erzählen möchte. Das bringt ihm Klarheit, auf welche Szenen und Motive er sich konzentrieren muss. Auch sollte man bereits beim Drehen der einzelnen Einstellungen darauf achten, das notwendige Bildmaterial für z.B. gelungene Sequenzen, Übergänge oder Zwischenschnitte zu sammeln. Selbst an einen brauchbaren Ton (z.B. Atmo) muss man schon "vor Ort", also beim Filmen denken. Das Schreiben eines guten Kommentars ist dann später noch eine zusätzliche Herausforderung. Aber auch dabei helfen bestimmt Klubfreunde…